Kategorie: Kreativ leben

  • Ziele mit Leichtigkeit erreichen – Planung trifft Flow

    Ziele mit Leichtigkeit erreichen – Planung trifft Flow

    Freitagmorgen, 8.24 Uhr, ich sitze zuhause am Laptop und schreibe. Für heute steht in meinem Kalender „Blog“. Wie ich im letzten Beitrag verkündet habe: Zeit habe ich jetzt für meine kreativen Projekte, allen voran mein Roman. Aber auch für diesen Blog. Und ich bin stolz auf mich, denn hier sitze ich, verfolge mein Ziel, einmal pro Monat einen Blogartikel zu schreiben. Lasse sogar mein warmes Frühstück für einen Moment liegen. Und frage mich: Hält diese Routine an? Mache ich das jetzt wirklich jeden Freitagmorgen, oder scheitere ich? Wie erreiche ich meine Ziele mit Leichtigkeit?  

    Die liebe Zeitplanung

    „Blog“ steht nicht nur in meinem digitalen Kalender, sondern auch in einem unscheinbaren analogen Buch. Einer meiner ersten Schritte, um der Kreativität Zeiträume zu geben: Der Kauf eines Bullet Journals. Beziehungsweise eines schwarzen leeren Buches, das nicht etwa kariert oder liniert ist, sondern innen gepunktet. „Das ist eine Mode aus Amerika“, sagt der nette alte Verkäufer mit der starken Gleitsichtbrille, als er ganz in Ruhe einen Stapel schwarzer Notizbücher durchblättert, um ein punktiertes herauszufinden (natürlich ist es das letzte im Stapel). Meine Idee ist, damit mehr als nur Termine festzuhalten: Ideen, Reflektionen, kleine Listen haben dort ebenso Platz. Denn ein Bullet Journal gestaltet man sich komplett selbst. Was mich bisher davon abgehalten hat: Der Gedanke, dass das viel zu viel Zeit in Anspruch nimmt, und dass es so super künstlerisch aussehen muss, wie man viele „Bujos“ auf Instagram sieht. Mir hat dieses Video geholfen zu verstehen, dass es auch ganz simpel sein kann.

    Die Punkte im leeren Bullet Journal sind vielleicht, wie Ziele sein sollten: bieten Orientierung, schränken nicht ein…

    Ich will mithilfe des Bullet Journals achtsamer mit meiner Zeit umgehen, aber gleichzeitig auch achtsamer mit mir. Alle Ziele der Welt sind es nicht wert verfolgt zu werden, wenn ich mich danach nur ausgelaugt fühle. Sowieso können wir uns die Frage stellen, ob Ziele an sich sinnvoll sind, wie in diesem zeitlosen Artikel von MyMonk. Der Gedanke, dass mich ein Ziel überfordern könnte, so wie zum Beispiel ein Bullet Journal zu führen, hat oft dazu geführt, dass ich mir das Ziel lieber nicht gesetzt habe. Und das ist schade! Also möchte ich einen anderen Umgang mit Zielen finden. Ganz aufgeben möchte ich sie nicht, denn sie bringen mir Klarheit, welchen Weg ich gehen möchte und welche Schritte dahin nötig sind. 

    Eine noch ziemlich leere Jahresübersicht 🙃

    Mit dem Bullet Journal hole ich mir aber die bessere Kontrolle über den Weg. Zum Beispiel über diese Fragen: 

    • Wann nehme ich mir Zeit, um Dinge zu machen, die mich dem Ziel näherbringen – und wann nehme ich mir Zeit, um einfach etwas ganz anderes zu machen? Einige meiner Freundinnen habe ich stets für ihre genaue Freizeitplanung bewundert, gleichzeitig dachte ich mir: Das wäre mir zu viel Planung, das schaffe ich nicht, und wie schön ist denn bitte Spontansein. Im Moment denke ich: Ein Treffen mit Freunden will genauso geplant sein (schließlich sind wir immer alle sehr, sehr busy und haben Termine…). Und wenn ich diese Termine im Kalender stehen habe, weiß ich auch wann ich Zeit für meine Kreativität habe.  
    • Genieße ich die Zeit, in der ich dieses Ziel verfolge? Der Weg ist das Ziel. Warum sollte ich sonst meine Lebenszeit damit verbringen, auf einer Tastatur zu tippen? Weil Menschen mir für einen Moment zujubeln, wenn ich den fertigen Blogbeitrag oder den fertigen Roman präsentiere? Das ist wunderschön, unglaublich motivierend und essentiell, um überhaupt weitermachen zu können – und natürlich, um von dieser Arbeit zu leben. Doch meine eigentliche Motivation ist: Das tun zu können, was ich liebe. Diese geistige, die Seele nährende Aktivität, bei der ich im Flow bin. Auch wenn hier und da Murks herauskommt (wenn ich daran denke, dass ich meinen Roman mindestens einmal von Grund auf neu geschrieben habe…), das ist normal. Für mich zählt der Flow. So verstehe ich übrigens auch eine der Grundsätze der japanischen Lebensphilosophie ikigai („Im-Moment-Sein“), worüber ich gerade das Buch von Ken Mogi lese. 
    • Spüre ich Widerstände? Es gibt Projekte – und da bin ich nicht die einzige – die schiebe ich, und schiebe ich. Warum eigentlich? Weil ich Gefühle dazu habe. Und die tun weh oder nerven. Und dagegen sträube ich mich. Also schiebe ich sie weiter. Und das tut dann weh (da kommt die Scham, es noch nicht geschafft zu haben, die Angst, ob ich es überhaupt schaffe). Also schiebe ich weiter. Die Aufgabe wird zum Berg und wächst. Ich glaube, unter anderem deshalb ist für eine Romanautorin die Schreibroutine so wichtig. Weil der tage- oder wochenlang unangefasste Romanentwurf zum Gefühlsberg wird. Wenn ich Klarheit über meine Aufgaben habe und vielleicht auch merke, wie ich Aufgaben schiebe, dann kann ich diese unangenehmen Gefühle erkennen und aufmerksam wahrnehmen. Aha, das hat sich was aufgetürmt. Dann ist der Berg zwar noch da, aber ich kann anfangen, die ersten Schritte draufzuklettern. (Gleich mehr dazu.) Oder ich merke, dass ich dieses Projekt aufgeben möchte. Das ist auch gut, denn dann bin ich erleichtert und habe mehr Raum für meinen Flow. 
    Persönliches Wachstum in der Morgentasse…? 🙂

    Ich denke, also bin ich…nicht produktiv

    Jetzt habe ich also Zeit zum Schreiben, und einen Plan, und hab mich morgens hingesetzt, um das zu tun und dann – kommt mein Kopf ins Spiel. Das Denken hindert den Fluss der Kreativität (den Flow). Ständig produziert mein Kopf Gedanken wie „Warum verschwendest du einen Freitagabend darauf, einen Blogbeitrag zu schreiben, den eh keiner liest oder kommentiert“ bis zu „Was bildest du dir eigentlich ein, schreiben zu können“. Ja, mein Kopf kann richtig fies sein (Ich habe meinem inneren Kritiker mal den Namen Horst gegeben. Jetzt heißt eine meiner Romanfiguren so, ist aber total nett). Und so oft in meinem Leben habe ich meinen Gedanken geglaubt und tue es auch heute noch. Aber seit ich angefangen habe sie zu beobachten, haben sie gewaltig an Macht eingebüßt. 

    „Die Bewertungen, die unser Geist laufend produziert, schränken die Kreativität laufend durch Zensur ein. Also ist der einzige Weg, freier zu werden, Abstand zu den eigenen Gedanken zu gewinnen.“

    – Frank Berzbach, aus „Die Kunst ein kreatives Leben zu führen“ 

    Mir hilft dabei der Glaube, dass Kreativität etwas Göttliches oder Spirituelles ist. Und dass ich das „Gefäß“ bin, durch das die Kreativität ihren Ausdruck findet. Dieser Glaube ist für mich Gegengift bei inneren Widerständen, Selbstzweifel, Perfektionsstreben, Blockaden. Ich darf mich selbst immer wieder daran erinnern, dass ich die Kreativität nicht zwingen kann, aber sie bitten und ihr freie Bahn verschaffen kann. Durch achtsames Wahrnehmen (negativer) Gedanken. (Der Grund, warum Deadlines bei mir gut funktionieren: Am Ende bleibt keine Zeit für negative Gedanken. Aber oft auch nicht für’s Schlafen oder Essen…)

    Und wie beobachte ich meine Gedanken? Das funktioniert für mich am besten ungestört am Morgen, mit einem 5- 8- oder 12-minütigen Timer, je nachdem, wie ich mich fühle oder wie viel Zeit ich mir geben kann (ja, ich weiß, das ist ein Privileg) und Naturgeräuschen auf den Ohren. Es hilft mir, alle Körperteile durchzugehen und zu spüren und mir mental sozusagen Notizen über aufkommende Gedanken zu machen. Es ist manchmal lustig und überraschend, welche scheinbar banalen Dinge mein Hirn mir schickt. Ich bewerte sie in dem Moment aber nicht. Mein innerer Standard-Satz um nicht ins Bewerten zu kommen „Aha, interessant“. (Interessant, dass ich gerade daran denke, dass es gestern keine Bananen mehr im Supermarkt gab…:D). Was sich dann auch zeigen kann, je nachdem was gerade so im Leben los ist, sind Gefühle bzw. ihre körperlichen Manifestationen. Herzklopfen, leichte Übelkeit, eine zugeschnürte Kehle? Auch das nehme ich aufmerksam wahr.

    Ich habe auch schon andere Wege probiert um den Strom der Gedanken nicht meinen Tag und mein kreatives Schaffen bestimmen zu lassen.

    • „Morgenseiten“ schreiben: Alles, was morgens so einschießt, einfach aufschreiben. Julia Cameron, Autorin von „Der Weg des Künstlers“ und Erfinderin der Morgenseiten, empfiehlt, jeden Morgen drei Seiten zu füllen und sie nie wieder anzuschauen. Hier erfährst du mehr über die Methode.
    • Stretching/Yoga, womit ich morgens mir meines Körpers bewusst werde, und auch weniger blockierende Gedanken und mehr Energie habe.
    • Geführte Meditationen, z. B. mit dem Fokus auf den Atem und positiven Affirmationen.
    • Morgens rausgehen! Joggen oder ein kleiner Spaziergang wirken bei mir morgens kleine Wunder.

    Für mich ist aber entscheidend, in die Beobachterrolle zu kommen, und das funktioniert für mich gerade am besten mit Timer, Sitzen, Augen zu, simples Beobachten und nicht bewerten.  

    Ausschnitt einer Morgenseite vor obligatorischem Buddha (als Symbol für Gedankenabstand) 🙂

    Wenn Pläne scheitern

    Und jetzt: Ich habe mir einen Plan gemacht, Ziele für den Tag gesetzt, morgens dagesessen, in den Körper gespürt und Gedanken beobachtet und danach sogar eine Runde gedehnt. Und dann passiert etwas Unvorhergesehenes. Der ganze Tagesplan scheint in sich zusammenzufallen. Die fiesen Gedanken melden sich: „Du hast es mal wieder nicht geschafft. Deshalb setzen wir uns doch keine Ziele! Bringt doch eh nichts. Jetzt fühlen wir uns schlecht.“ Stopp! Es ist mal wieder Zeit, die Gedanken zu beobachten, bevor sie dir den restlichen Tag versauen. Ich versuche den Beobachte-Modus also auch zwischendurch zu nutzen. Außerdem hilft mir Mitgefühl (nicht Mitleid, großer Unterschied) mit mir selbst.  Nur weil es heute nicht läuft muss ich nicht aufgeben. Es gibt doch einen schönen Teebeutelspruch:

    „Das Leben bietet dir immer eine zweite Chance. Ihr Name heißt morgen.“

    Letztes Jahr war ich einmal an einem Punkt, an dem ich dachte: Das mit dem Roman wird nichts. Zu viele private Herausforderungen. Zu viele unerreichte Tagesziele. Ich schreibe schon zu lange daran. Ich schreibe zu langsam. Ich gebe auf. 

    (Dass ich mit dem Ziel „Roman“ öffentlich geworden bin, war schon ein gewagter Schritt für mich. Was, wenn ich es nicht schaffe?Achso, mein Selbstwert hängt ja gar nicht von der Außenwelt ab 🙂 Ich will einfach schreiben! Und ich lerne nur, wenn ich scheitern darf, ein sehr gutes Buch und Podcast hierzu ist von Elizabeth Day: How to Fail

    Um ein großes Beispiel zu nennen, bei dem mir das Aufgeben-Denken immer wieder auffällt: Die Klimakrise. Viele Menschen meinen, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten, dann lohnt sich das eh nicht mehr. Dann ist alles im Eimer. Fakt ist: Jedes 0,1 Grad weniger Erderhitzung zählt. 

    Das 1,5-Grad-Ziel ist eine wichtige Vereinbarung, auch wenn wir es aller Voraussicht nicht einhalten werden.  Ziele können Orientierung und Klarheit bieten, für eine Gruppe oder eine einzelne Person. Sie können einen Weg ebnen. Zusammen mit dem Gedanken beobachten und dann noch einer gewissen Lockerheit, dass das Leben nicht immer so läuft, traue ich mich weiterhin, mir Ziele zu setze und die Wege dorthin zu gehen. Die Wege zu genießen, und mal links und rechts zu schauen, das ist mein neues Ziel. 🙂

    Die Überraschungen am Wegesrand 🙂

    Gibt es Ziele, die hast du schon aufgegeben, ohne sie je anzufangen? Wie sieht dein Weg zu den Zielen aus – genussvoll? Wie gehst du mit Rückschlägen um? Ich freu mich riesig über Kommentare 🙂