Krise und Chaos: 10 Gründe, genau jetzt kreativ zu sein!

Inmitten der Krisen, die wir gerade auf der Welt erleben, von Kriegen über Klimakrise zu Superreichen, die mit Desinformationen um sich schleudern, inmitten einer Zeit, in der es einen Rechtsruck in Europa gibt, stelle ich mir die Frage: Warum Zeit und Energie darin investieren, einen Roman zu schreiben? Warum Farbe auf Papier pinseln, Gedichte schreiben, warum rausgehen und Fotos von Bäumen knipsen – kreativ sein trotz Krise? Vielleicht hast du dir diese Frage auch schon einmal gestellt und deswegen eine kreative Idee verworfen. Dabei ist deine schöpferische Kraft jetzt gerade vielleicht das Wertvollste, was wir haben! Und zwar aus diesen Gründen:

Der aktuellste Grund zuerst: Es nervt die Rechten

Eine bestimmte rechte Partei versucht, Kultur für ihre menschenfeindliche Ideologie zu benutzen. Staatliche Förderungen sollen weitestgehend gestrichen und Fakten in der deutschen Geschichte verdreht dargestellt werden, um eine „Identität“ herzustellen, die viele Menschen ausschließt. Gruselig und gefährlich. Nun schreibe ich beispielsweise einen Roman, in dem eine Teenagerin sich in einen Austauschschüler verliebt und auswandert. Unter anderem, weil sie Deutschland nicht so toll findet. Und, weil ihr Vater als Kriegskind seelische Probleme hat. Diese Geschichte passt nicht in eine Nazi-Ideologie, passt nicht zu einer Partei, die schon seit vielen Jahren versucht, ihr rechtsextremes Gedankengut in der Bevölkerung zu verbreiten. Ich freue mich, und sei es nur ein Nebenaspekt meines Romans, einen winzigen Gegenpol zu setzen.

Es hilft dir, innere Konflikte zu lösen

In chaotischen Zeiten ist es umso wichtiger, meine Gedanken und Gefühle zu erkennen, um nicht überwältigt zu sein. Ein kreativer Prozess wie Schreiben oder Malen hilft mir dabei (und seien es nur „Kritzeleien“). Es sind die Stolpersteine auf dem Weg, die mir die Aha-Erlebnisse bescheren (siehe mein letzter Blogartikel). Aha, interessant, dass da negative Gedanken in mir sind, die mich davon abhalten, über Politik zu schreiben, weil mir bei der Möglichkeit einer rechten Partei in der Regierung das Würgen kommt. Und interessant, dass ich mich so krass überwältigt fühle von der aktuellen Weltlage, dass ich mir nicht zutraue, das Ganze in Worte zu fassen – gleichzeitig aber dringend laut werden möchte bei all der Ungerechtigkeit! Das hätten wir nun also geklärt. Jetzt schreibe ich.

Es entlastet deinen Kopf

Etwas zu erschaffen ohne Leistungsdruck kann bedeuten, dass ich für einen langen Moment einfach im Jetzt bin und nicht über den ganzen Scheiß nachdenke. Ich folge der Farbe, der Form, dem Geruch, dem Rhythmus. Das ist alles, was in diesem Moment zählt.
Gerade bin ich sehr froh, endlich diese Blogidee auf Papier zu bringen. Sie hat mich die ganze Zeit gerufen und nicht aufgehört mir auf die Schulter zu tippen. Ich atme aus. Endlich antworte ich. Endlich entwirre ich die Gedankenkabel im Kopf, begebe mich auf die Suche und entrolle sie in einem kreativen Prozess . Ich schaffe mir den Raum, das ganze Chaos zu verarbeiten. Lege das Handy weg. Ich bin nur da und schreibe.

Du findest Halt in dir, während sich die Welt chaotisch anfühlt

Und während ich schreibe, lärmt die Welt da draußen weiter. Na und?

  • Eine Werkstatt, ein Stück Holz, die Idee, vielleicht ein kleines Spielzeug für Nichten, Neffen, Enkel herzustellen.
  • Eine Packung Mehl, eine Schüssel und dieses eine Brotrezept, das du schon immer mal probieren wolltest.
  • Kisten, Pflanzen, Erde und die Überlegung, endlich ein kleines Hochbeet zu bauen.

Wie schön ist es bitte, so ein Projekt durchzuziehen – etwas mit den Händen zu schaffen und dabei ganz darin zu versinken. Auf Hindernisse zu stoßen, sie zu meistern. Während „draußen“ alles laut und ungewiss scheint, ist dein Anker das, was du gerade mit deinen Händen schaffst. Sei es noch so ein „kleines“ Projekt und dem Anschein nach „unpolitisch“ (wobei ich finde, dass Selbstmachen immer ein Widerstand gegen Überkonsum ist). Trotz Krise kreativ bleiben: Das gibt dir das echte Gefühl zurück, selbst in chaotischen Zeiten gestalten zu können.

Kreativ sein gibt auch anderen in der Krise Halt

Der Halt, den dir Kreativität geben kann, lässt sich auf die Gemeinschaft übertragen. Wenn ich mich so umhöre, teile ich das überforderte Gefühl angesichts der Weltlage mit vielen. Kreative Stücke haben die Kraft, uns zu verbinden und die Überforderung zu lindern. Wenn ich etwas erschaffe, das anderen aus der Seele spricht, schaffe ich Orientierung und Verbundenheit. Das bedeutet: Weniger Chaos, mehr gegenseitige Unterstützung. Mir hilft Satire zum Beispiel gerade sehr. Wie gut es tut, Jan Böhmermann zuzusehen, wie er den verdrehten Freiheitsbegriff der Rechten auseinandernimmt. Wie befreiend es vor einigen Jahren war, die Känguru-Chroniken zu hören.

Außerdem helfen mir zum Beispiel Fantasy-Romane, um in andere Welten abzutauchen und mal Pause zu machen. Und Musik. Sie nährt die Seele, gerade in schwierigen Zeiten. Stell dir vor, es gäbe keine Musik, keine Bücher, keine Filme – nicht aushaltbar, oder? Und um ein ganz nahes Beispiel zu nennen: Entspannung bieten für mich die Songs, die mein Freund in den letzten Wochen veröffentlicht hat – trotz allem.

Du findest „deine“ Leute

Natürlich musst du nicht jedes kreative Erzeugnis mit anderen teilen (ich habe viele geheime Gedichte :)). Aber: Je sichtbarer du damit bist, desto wahrscheinlicher reagieren Menschen darauf, die „deine“ Menschen sein könnten. Du lernst entweder Leute neu kennen oder stärkst alte Bekanntschaften, die deine Werte teilen und mit denen du dich über Dinge austauschen kannst, die dir wichtig sind. Ihr unterstützt und inspiriert euch gegenseitig. Passiert mir gerade mit diesem Blog 🙂

Du schaffst aktiv etwas Neues, statt nur konsumieren und reagieren

Wenn wir nur immer gegen etwas sind, wofür sind wir dann? In diesem Artikel fordert uns Simone Dede Ayivi dazu auf, neben dem wichtigen Protest gegen Faschismus unsere guten Ideen, unsere Ideen für eine bessere Welt zu nähren und zu zeigen! Ja, es sind überfordernde, düstere Zeiten – aber wir haben dennoch die Macht, etwas zu ändern, etwas mindestens im Kleinen neu zu gestalten. Nach meinem letzten Blogartikel hat mir eine Freundin, mit der ich schon Monate nicht gesprochen hatte, von ihrer wunderschönen nachhaltigen Business-Idee erzählt. Das gibt mir Hoffnung! So arbeiten wir konstruktiv an der Gesellschaft mit anstatt uns zu fürchten und jeden Abend in einer Flut von Informationen zu versinken, die lähmt und krank macht. Zum Beispiel kann ich die Professorin für Transformation und Nachhaltigkeit Maja Göpel sehr empfehlen, die immer ermutigende und klare Worte findet. Auch sie ermuntert mich, trotz Krise kreativ zu bleiben.

Es macht dich froh

Ganz einfach: Den eigenen Gefühlen Ausdruck verleihen zu können und dann noch gelesen, gesehen, gehört zu werden verleiht Flügel. Vielleicht fühlst du, wie du ein paar Zentimeter wächst. Aber egal, ob du wahrgenommen wirst oder nicht: Zufriedenheit entsteht sowohl beim machen als auch, wenn dein Werk vollendet ist.

Es lehrt dich was

Etwas zu erschaffen (besonders, wenn sich der kreative Prozess mit anderen Menschen auseinandersetzt) zeigt uns neue Sichtweisen. Zum Beispiel gehe ich innerlich mit meinen Romanprotagonist*innen durch ihre Entwicklungsphasen und lerne dabei. Geschichten leben nämlich davon, dass sich der Protagonist entwickelt, weil er*sie ein Ziel hat und auf dem Weg dorthin Probleme lösen muss. Ich überlege mir als Autorin, welche Hindernisse und Lösungen das sind. Dadurch habe ich selbst schon einiges gelernt. Zum Beispiel hat mein Hauptprotagonist viele negative Glaubenssätze wie „Ich werde nur dann geliebt, wenn ich etwas leiste“. Dieser Glaubenssatz ist leider typisch in unserer Leistungsgesellschaft. Während ich darüber schreibe, wie mein Protagonist diesen Glaubenssatz nach und nach auflöst, merke ich, dass sich auch bei mir etwas verändert.

Es kann die Welt verändern

„Du bist niemals zu klein, um etwas zu bewirken. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass kleine Menschen große Veränderungen bewirken können.“ (Greta Thunberg)

Als Greta Thunberg etwa Ende 2018 in die öffentliche Aufmerksamkeit trat, habe ich gerade ein paar Praktika absolviert, allesamt zu Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitsthemen. Die Themen waren noch nicht in der breiten Masse angekommen. Greta war der Anfang von Fridays for Future, und dafür werde ich ihr immer dankbar sein. Die Fridays-Bewegung hat es geschafft, die Klimakrise ins Bewusstsein der breiten Gesellschaft zu rücken und unter anderem den Boden für das wegweisende Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts zu bereiten. Und dafür zu sorgen, dass Städte und Gemeinden mehr Menschen für Klimaschutz einstellen. Vielleicht habe ich Greta meinen Job zu verdanken 🙂

Greta hatte die Idee, freitags in den Schulstreik zu gehen, und man kann das als kreatives Werk betrachten oder nicht. Ich finde diese Form von Protest ziemlich kreativ. Bewegungen – oder auch einfach spannende Diskussionen – entstehen jedenfalls oft aus kreativen Impulsen. Texte, Bilder, Videos, Theater- und Musikstücke können Protest und Zusammenhalt bewirken, und damit Veränderung. Wir brauchen diese Dinge in Krisenzeiten umso mehr. Und dein kreativer Ausdruck, so klein er dir vorkommen mag, kann Teil davon sein.

Ideen, um trotz Krise kreativ zu bleiben:

  • Erzähle jemanden von einer Idee, die dir schon lange im Kopf herumschwirrt.
  • Gestalte dir eine Playlist mit Songs, die dich inspirieren – vielleicht mit dem Namen „Kreativ trotz Krise“ 🙂
  • Bereite dich etwas ausführlicher auf eine Demo vor, mit bunten ausdrucksstarken Schildern. 
  • Starte ein Skizzenbuch und skizziere, was dir begegnet – du musst es niemandem zeigen 🙂
  • Schreibe Tagebuch und erzähle von deinem Leben, als seist du der Hauptprotagonist in einem Roman (habe ich schon einmal gemacht, richtig spannend!)
  • Suche dir ein DIY-Projekt in deinem Zuhause: Zum Beispiel ein Regal streichen, eine Wand neu dekorieren.
  • Lege einen Ordner an mit verschiedenen Fotos zu einem bestimmten Thema, das dich gerade beschäftigt, und fotographiere immer mehr dazu.
  • Stöbere in deinem lokalen Kreativladen und lass dich inspirieren.
  • Schließe dich einer Gruppe an, die das gleiche kreative Ding macht (z.B. Autor*innengruppe)
  • Buche dir einen Kurs z.B. in der Volkshochschule oder einer Tanzschule, auf den du richtig Lust hast.
  • Nimm bei einem lokalen Schreibwettbewerb teil – machmal braucht es einfach eine gute Aufgabe und eine Deadline 🙂

So kannst du Kulturschaffende unterstützen

Es ist besonders dramatisch, dass gerade jetzt massiv Gelder für kreative und kulturelle Arbeit gestrichen werden. Seit Jahren ist es besonders schwierig für Menschen der Kreativ- und Kulturszene – genau diejenigen, die uns mit ihrem Kreativsein durch die Krise helfen. Das kannst du tun:

  • Besuche Konzerte, Lesungen und Ausstellungen vor Ort. Letztens war ich bei einer Lesung, und habe einfach gedacht: Das hier ist besser als alles, was ich heute hätte streamen können. Vielleicht kündige ich mein Netflix-Abo (aber vielleicht auch nicht :D).
  • Kaufe Bücher direkt bei kleinen Buchhandlungen.
  • Unterstütze Künstler*innen auf Plattformen wie Patreon, wo du sie für einen monatlichen, frei wählbaren Betrag abonnierst und dafür exklusive Inhalte bekommst.
  • Kaufe Merchandise, der Künstler*innen direkte Einnahmen bringt und sie gleichzeitig sichtbarer macht.
  • Kommentiere unter diesem Blogbeitrag drei Künstler*innen und ihre Werke, die dir/euch gerade Halt geben! 🙂

Kommentare

2 Antworten zu „Krise und Chaos: 10 Gründe, genau jetzt kreativ zu sein!“

  1. Avatar von Lena
    Lena

    Schöner, ermutigender und inspirierender Blogbeitrag! Danke für die Einblicke. Die Ideen habe ich mir gleich mal abgespeichert. Zwei Künstler*innen, die mir Endorphine geben, sind Magdalena Fournillier und Dávid Pogran, auf Instagram @madgen.fou & @david.pogran <3

    1. Avatar von Felizia

      Oh wow, das sind ja zwei Entdeckungen. Richtig schöne Bilder, fühle mich direkt darin zuhause. Danke 💓
      Und danke für dein Feedback 😘

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